Eine bewegende Vergangenheit

Das Schloss Gottesaue wirkt mit seiner rosa Fassade, den sanften Kuppeln, dem formschönen Giebeldach und seinem großzügigen von Gebäuden umrankten Schlosspark wie ein Märchenschloss. Es ist ein Juwel in der reichen Stadtstruktur von Karlsruhe. Dabei besitzt das Märchenschloss eine bewegende Vergangenheit und wurde mehrmals zerstört und wieder aufgebaut. Deswegen ist es nicht selbstverständlich, dass die Karlsruher sowie die Hochschule für Musik, die inzwischen in das Schlossgelände eingezogen ist, noch über dieses formvollendete Gebäude verfügen können.

Anfänge als Kloster

Bereits im Hochmittelalter existierte auf dem Gebiet des Schlosses eine Anlage. Im Jahre 1094 wurde das Gebiet als Kloster vom Herrschergeschlecht der Hohenberger begründet. Berthold von Hohenberg, der seinen herrschaftlichen Sitz auf dem heutigen Durlacher Turmberg hatte, war jener mittelalterlicher Herrscher, der das Signal für die Nutzung des Geländes gab, wo es bis zum Ende eine Abtei der Benediktiner blieb. Mehr zur Stadtgeschichte von Karlsruhe auf meinka.de.

Funktionsverlust nach Reformation und Bauernkriegen

Die Bauernkriege und die Reformation führten zu umwälzenden Veränderungen an dem markanten Bauwerk. Für die Bauern in der Zeit der Bauernkriege war das Kloster ein Akt der herrschaftlichen Gewalt. So wurde dieses zerstört, geplündert und niedergebrannt. Auch die Reformation lehnte das klösterliche Leben ab, denn für sie war nur gottgefällig, was in der Bibel stand. Im Jahre 1555 führte Karl II. von Baden-Durlach nach dem Augsburger Religionsfrieden den protestantischen Glauben in Karlsruhe ein. Dieser Akt wurde legitimiert durch das bekannte Gesetz aus diesem Vertragswerk: cuius regio, eius religio. Dieses Prinzip ließ den Landesherren über die Religion in seinem Land bestimmen. Die Schließung des Klosters erfolgte im Jahre 1565, sodass die Anlage für 19 Jahre außer Betrieb blieb.

Lustschloss der Renaissance

Im Jahre 1584 übernahm Markgraf Karl-Friedrich die Regierungsgeschäfte und verlieh dem ehemaligen Kloster eine neue Bestimmung als Schloss im Stil der Renaissance. Er beauftragte den berühmten Architekten Johannes Schoch mit dem Bau der neuen Anlage. Schoch hatte sich mit der Konstruktion des Heidelberger Schlosses bereits einen Namen machen können. Der Auftrag an den Bauherrn war klar: Dieser sollte ein Jagd- und Lustschloss erbauen, das prachtvoller war als das bisherige Schloss des Markgrafen.

In dem formvollendeten Schloss spiegelt sich somit der Zeitgeist der Renaissance mit ihrer Offenheit gegenüber der antiken Kultur sowie einem neuen Lebensgefühl wider. In der Renaissance wurde der Mensch mit seinen Neigungen, Fähigkeiten, seinen Interessen und auch seiner Lebensfreude in den Fokus gerückt, während sich gleichzeitig von der einst strengen gottgewollten Ordnung im Mittelalter emanzipiert wurde.

Zerstörungen und Bedeutungsverlust

Ein rundes Jahrhundert strahlte das Schloss mit seiner Schönheit auf die Umgebung zurück, doch standen die kommenden Katastrophen bereits vor der Tür. Im Jahre 1689 wurde das Schloss von den Truppen Ludwigs XIV. zerstört, während ein Brand im Jahre 1735 für weitere Schäden sorgte. Ein weiteres Problem für das Schloss bestand darin, dass nach der Gründung der Fächerstadt Karlsruhe mit seinen monumentalen Anlagen im Stil des Barocks rund um das neue Karlsruher Schloss der Neubau des Schlosses Gottesaue in der Prioritätengebung nicht weit oben rankte. Dieser Umstand führte dazu, dass der Neubau mit einem zweigeschossigen Baukörper und dreigeschossigen Türmen nur in einer miniaturisierten Form erfolgte.

Militär, Polizei, Zerstörung

Ab dem Jahr 1818 erfolgte eine lange Nutzung des Schlosses durch das Militär. Mehrere Kasernen entstanden auf dem Schlossgelände. Das Militär prägte bis zum Ersten Weltkrieg das Antlitz des Schlosses. Nach dem Versailler Vertrag verblieb das Schloss in staatlicher Hand und wurde 1935 zu einer Polizeischule umgebaut. Eine weitere Zäsur erfolgte am 27.5.1944, als das Schloss nach einem Luftangriff der US-Luftwaffe zerstört wurde. Da nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten oberste Priorität besaß, blieb die Schlossruine bis 1982 de facto ein Mahnmal des Krieges.

Ende gut, alles gut

Im Jahre 1978 und damit weit nach dem Wirtschaftswunder sowie der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland beschloss der Stadtrat den Neubau des Schlosses Gottesaue. Vier Jahre später wurde der erste Spatenstich gesetzt und im Jahre 1989 konnte sich die Öffentlichkeit über eine neue schmucke Anlage freuen, sodass das Schloss Gottesaue wieder zu einer Karlsruher Sehenswürdigkeit werden konnte. Der Außenbau wurde dabei bewusst so konzipiert, dass die bewegte Vergangenheit für den Betrachter erlebbar wurde. Die Inneneinrichtung ist zwar für die Bedürfnisse einer Musikschule modern und funktional gestaltet, erhält aber eine Reihe von subtilen Anspielungen auf die Zeit der Renaissance, in der das Schloss seine Wurzeln hatte.

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